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Wer bezahlt eigentlich einen Gesamtarbeitsvertrag?

Ein GAV ist nicht gottgegeben: Er kommt durch die harte Arbeit der Gewerkschaften zustande – und dank der Solidarität der Mitglieder. Auch Nichtmitglieder leisten einen kleinen Beitrag. Aktuell wird bei Swisscom dieser Beitrag erhöht. 

Zentrale Aufgabe jeder Gewerkschaft ist das Verhandeln und Durchsetzen von Gesamtarbeitsverträgen (GAV). Das verursacht hohe Kosten. An diesen Kosten beteiligen sich nicht nur Gewerkschaftsmitglieder, sondern alle, die einem GAV unterstellt sind. Ist das nicht ungerecht? Schliesslich ist es doch die freie Entscheidung jedes und jeder Einzelnen, sich einer Gewerkschaft anzuschliessen oder eben auch nicht. Das ist der Inhalt der sogenannten Koalitionsfreiheit, die in der Bundesverfassung verankert ist. Trotzdem ist der GAV-Beitrag ein kleiner Beitrag zur Gerechtigkeit. Warum?

Die Gewerkschaft ist im Grund eine Solidargemeinschaft wie die gesetzliche Krankenkasse. Im Gegensatz zu dieser ist die Mitgliedschaft aber freiwillig. Es gibt zwei Möglichkeiten, wie dieser Widerspruch gelöst werden kann. Die erste Variante: Wer zahlt, profitiert. Dies würde in der Arbeitswelt jedoch zu einer Zweiklassengesellschaft führen, die niemand will. Alle Beschäftigten sollen von der Sicherheit und den Leistungen eines Gesamtarbeitsvertrags profitieren können. Deshalb ist es allseits anerkannt, dass sich GAV-Unterstellte, die in keiner Gewerkschaft organisiert sind, mittels GAV-Beiträgen auch an den GAV-Kosten beteiligen.

Im Verhältnis zu den effektiven Kosten

Der GAV-Beitrag dient dazu, alle Kosten abzudecken, die beiden Sozialpartnern im Zusammenhang mit dem Zustandekommen sowie der Um- und Durchsetzung des GAV entstehen. Zusätzlich kann er für die berufliche Weiterbildung, den Gesundheitsschutz und die Arbeitssicherheit im Unternehmen sowie für soziale Zwecke oder Freizeitaktivitäten eingesetzt werden, an denen alle Mitarbeitenden teilnehmen können. Über die Verwendung des Geldes entscheiden paritätische Kommissionen, d. h. eine je gleich starke Vertretung der Arbeitgeber und der Gewerkschaften. Wenn ein GAV-Beitrag zu tief ist, müssen die Kosten des GAV durch die Mitgliederbeiträge quersubventioniert werden. Das kann auf die Dauer nicht gut gehen.

Die GAV-Beiträge müssen im richtigen Verhältnis zu den effektiven Kosten stehen und gerechtfertigt sein. Zudem müssen sie laut Gesetz deutlich tiefer als ein Gewerkschaftsbeitrag sein, damit die Bestimmungen zur Koalitionsfreiheit eingehalten werden.

Die wichtige Erkenntnis, dass ein GAV nicht gottgegeben, sondern das Resultat eines demokratischen Prozesses und einer konstruktiven Sozialpartnerschaft ist, erhöht die Motivation der Mitarbeitenden, was auch für die Unternehmen einen weiteren Mehrwert darstellt.

Häufig ist im Zusammenhang mit dem GAV-Beitrag vom «Solidaritätsbeitrag» die Rede. Dieser Ausdruck ist aber missverständlich; denn wirklich solidarisch sind nur Gewerkschaftsmitglieder.

* Franz Schori ist Fachsekretär im Sektor Telecom/IT.

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