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Weitere 80 Jahre Rentenlücke kommen nicht in Frage

Eine Woche vor dem 14. Juni

© SGB

Zentrale Forderungen der Frauen*streik-Bewegung werden auch zwei Jahre nach dem Streik ignoriert. Zwei Tage vor der grossen AHV-Debatte im Nationalrat bleibt die Bilanz miserabel: gerade erwerbstätige Frauen leiden weiterhin unter zu wenig Zeit, Lohn und Respekt. Die tieferen Löhne, Teilzeitpensen und unbezahlte Arbeit führen zur heute skandalös schlechten Rentensituation der Frauen – bei der kein Ende in Sicht ist. Neue Berechnungen des Schweizerischen Ge­werkschaftsbunds zeigen: Geht alles so weiter wie bisher, schliesst sich diese Lücke erst in 80 Jahren. Trotzdem richtet sich die Rentenreform AHV 21 gegen die Frauen. Die Erhöhung des Frauenrenten­alters wird an der Urne und auf der Strasse deshalb auf erbitterten Wi­derstand stossen. Die Frauen lassen sich nicht mehr vertrösten, ihre Ge­duld ist am Ende.

(SGB) Die während des Erwerbslebens erlittenen Benachteiligungen der Frauen durch tiefere Löhne oder Teilzeitarbeit verstärken sich bei den Renten. Dass es eine Rentenlücke gibt, kann heute nicht mehr geleugnet werden. Die mittlere Pensionskas­senrente der Frauen, die 2019 pensioniert wurden, betrug monatlich 1’160 Fran­ken. Bei den Männern betrug sie 2’144 Franken. Nur bei der AHV ist die Renten­höhe fairer verteilt, da auch Erziehungs- und Betreuungszeiten rentenbildend sind. Unter dem Strich bleibt eine Rentendifferenz von einem Drittel.

Faktisch sind viele Frauen im Alter daher immer noch von Männern abhängig. Ihre tiefen Renten reichen nicht zum Leben. Die Gleichstellung in der Altersvorsorge kommt nicht vom Fleck: Wenn die Entwicklung so weitergeht wie bisher, wäre die Rentenlücke erst im Jahr 2100 überwunden. In 80 Jahren! Und mit der AHV 21 soll die Rentensituation der Frauen gar noch verschlechtert werden.

Die AHV ist die soziale Errungenschaft des 20. Jahrhunderts. Sie hat die Menschen von Existenzängsten befreit. Die AHV muss deshalb auch im 21. Jahrhundert der Motor für die Gleichstellung sein. Denn nur sie berücksichtigt die mehrheit­lich von Frauen erbrachte, nicht entlöhnte Pflege- und Sorgearbeit bei der Ren­tenberechnung. Deshalb muss die AHV gestärkt werden, die Volksinitiative für eine 13. AHV-Rente ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung.

An der heutigen Medienkonferenz zogen Gewerkschafterinnen und Vertreterinnen der SGK-N Bilanz, zwei Tage vor der entscheidenden Beratung zur AHV 21 im Nationalrat und eine Woche vor dem 14. Juni. Die Referentinnen zeigten auf, wo es bei der Gleichstellung vorwärtsgehen muss, dass die Rentenlücke der Frauen nicht mehr länger toleriert werden kann und weshalb sie auch am 14. Juni 2021 wieder zu Aktionen mobilisieren:

Unia-Präsidentin Vania Alleva sagte: «Zur bereits schwierigen Rentensituation der Frauen soll jetzt eine Erhöhung des Frauenrentenalters kommen, was faktisch zu einer Kürzung der sowieso schon tiefen Renten führen wird. Die AHV 21 trägt all den bestehenden Problemen nicht Rechnung, löst keines davon. Im Gegenteil, die Reform geht voll zulasten der Frauen und ist schlicht unzumutbar. Wir werden eine Erhöhung des Frauenrentenalters nicht zulassen.»

Mattea Meyer, Co-Präsidentin SP Schweiz zeigte sich ernüchtert: «Statt endlich für Verbesserungen zu sorgen, kommt der bürgerlichen Mehrheit im Parlament nichts Besseres in den Sinn, als einen Rentenabbau durchzusetzen. Das ist ein Hohn, zwei Jahre nach dem Frauenstreik!»

Léonore Porchet, Nationalrätin Grüne und Vizepräsidentin Travail.Suisse nannte die Fakten: «Die AHV 21 bringt Einsparungen von 10 Milliarden Franken zwischen 2022 und 2031, allein durch die Erhöhung des Rentenalters für Frauen. Dabei übernehmen Frauen einen gleich hohen oder sogar höheren Anteil an bezahlter und nicht bezahlter Arbeit wie die Männer und werden während ihrer gesamten beruflichen Laufbahn benachteiligt.»

Grüne-Nationalrätin und VPOD Präsidentin Katharina Prelicz-Huber nannte ein Beispiel: «Eine Fachperson Betreuung im Kinderbetreuungsbe­reich verdient beim Berufseinstieg 4’000-4200 und nach 10 Jahren Erfahrung 4’500-4’700 Franken im Monat. Der Grund für die tiefen Löhne ist einzig, dass die Arbeit von Frauen geleistet wird. Ein Credit- und Riskmanager aber beginnt mit monatlich 8’750 Franken. Wenn die Fachperson Betreuung noch eigene Kinder hat und nur Teilzeit arbeitet, erwartet sie im Alter eine miserable, den Manager eine fürst­liche Rente. Eine unhaltbare Situation; eine Aufwertung der Pflege- und Care-Berufe ist dringend notwendig!»

Gabriela Medici, stellvertretende SGB-Sekretariatsleiterin betonte: «Die Ren­tenlücke von heute spiegelt die ungleiche Verteilung der Erwerbschancen der Frauen von gestern. Doch solange wir in der Altersvorsorge nichts ändern, führt die typi­sche Erwerbskarriere der Frauen zu unwürdig tiefen Renten. Damit sind Frauen fak­tisch immer noch von den Männern abhängig, ansonsten reichen die tiefen Renten nicht zum Leben.»

Die Co-Präsidentin der SGB-Frauenkommission, Patrizia Mordini, betonte, «gerade in Anbetracht der steigenden Lohnungleichheit ist eine Erhöhung des Frauenrentenal­ters durch das Parlament respektlos, unwürdig und zynisch! Unsere Wut, die Wut der Frauen ist gross! Wir zeigen diese Wut am 14. Juni mit Lärm-Aktionen zum sym­bolischen Zeitpunkt 15.19 Uhr – ab dann arbeiten die Frauen nämlich neuerdings gratis! 2019 war dies noch um 15.24 Uhr.»
 

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