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SGB: «Ein Rahmenabkommen muss den Arbeitnehmenden nützen»

Ja zu einem sozialen Europa, nein zu Verschlechterungen beim Lohnschutz und den flankierenden Massnahmen. Für SGB-Sekretariatsleiter und Chefökonom Daniel Lampart ist in der Position zur EU vor allem eines wichtig: Die Europapolitik muss den Arbeitnehmenden nützen.

(SGB) Daniel Lampart, dem SGB wird vorgeworfen, er fahre das Rahmenabkommen und damit die Bilateralen an die Wand. Haben die Gewerkschaften neu etwas gegen die EU?

Daniel Lampart
: Ein kleines Land wie die Schweiz braucht gute und geregelte Beziehungen zur EU. Deshalb haben wir uns für eine Öffnung gegenüber Europa und die Personenfreizügigkeit eingesetzt, aber immer gesagt, dass dies den Arbeitnehmenden nützen muss. Unsere Flankierenden gehören zu den besten in Europa. Nun verfolgt Bundesrat Ignazio Cassis eine Europapolitik gegen die Arbeitnehmenden. Das geht in die völlig falsche Richtung.


Könnte es Ihnen nicht egal sein, wieviel ein Entsandter verdient?

Daniel Lampart
: Die Personenfreizügigkeit brachte Fortschritte wie die Abschaffung des Saisonnierstatuts. Aber mit den Entsendungen wurde eine neue prekäre Arbeitsform angelegt. Ausländische Firmen können viel einfacher ihre Dienstleistungen in die Schweiz erbringen. Im deutschen Gewerbe ist der Durchschnittslohn bei rund 3700 Franken, in Polen sogar bei 900 Franken. Wir hingegen haben die höchsten Löhne in Europa, einen Handwerkerlohn von 5000 bis 6000 Franken. Hier sind die Flankierenden entscheidend: Kommt es so weit, dass deutsche, polnische Löhne in der Schweiz Normalzustand werden, kommen die Löhne unter Druck, die Arbeitslosigkeit steigt. Unsere gelernten Maler oder Schreiner müssten plötzlich zur Sozialhilfe, die ganze Berufsbildung würde erodieren – katastrophal!


Die EU hat beim Lohnschutz Fortschritte gemacht, anerkennt das Prinzip des ortsüblichen Lohns. Weshalb wollen Sie das nicht übernehmen?

Daniel Lampart
: Wir kämpfen für ein soziales Europa, in dem die Arbeitgeber die Arbeitnehmenden nicht gegeneinander ausspielen können. Europäische Gewerkschaften und der europäische Gewerkschaftsbund fordern uns auf, nicht nachzugeben. Die Schweizer GAV sind gut, aber wir müssen sie durchsetzen. Wir machen am meisten Kontrollen in Europa, weil wir auch die höchsten Löhne haben. Unser Kontrollsystem ist einmalig. Doch der Druck der deutschen Handwerksfirmen und der EU-Kommission für weniger Kontrollen und Bussen ist gross. Hier hat Bundesrat Cassis bewusst irreführende Informationen verbreitet, als er sagte, es gehe um die 8-Tage-Frist. Es geht darum, ob wir unsere Gesamtarbeitsverträge samt Kontrollen und Bussen gefährden, wenn der europäische Gerichtshof über die FlaM urteilen und die EU-Kommission mitreden darf. Für sie ist Marktzugang wichtiger als Lohnschutz. Das würde jenen helfen, denen die FlaM noch nie passten: Christoph Blocher und seiner Tochter, Avenir Suisse, Economiesuisse.


Letzten Sommer sagten die Gewerkschaften: Verhandelt wird nicht. Viele interpretieren das als Gesprächsverweigerung. Wie kommen wir aus dieser Sackgasse?

Daniel Lampart
: Es ist keine Sackgasse. Die Bundesräte Cassis und Johann Schneider-Ammann haben sich über die rote Linie des Bundesrats hinweggesetzt. Wir diskutieren nicht über einen Abbau der FlaM. Wir kämpfen für gute Löhne, sichere Arbeitsplätze, soziale Absicherung. Deshalb waren wir für die Bilateralen mit den Flankierenden. Wenn europapolitische Ziele verfolgt werden, die den Arbeitnehmenden schaden oder Verschlechterungen bringen, lehnen wir das ab.


Was muss der Bundesrat tun?

Daniel Lampart
: Er muss an seinem Mandat festhalten: Keine Verhandlungen über unseren Lohnschutz. Er wird der EU mitteilen müssen, dass ein Rahmenabkommen à la Cassis nicht geht. Nun soll er den Fokus auf die Bekämpfung der SVP-Kündigungsinitiative legen, die den Arbeitnehmenden schadet und den bilateralen Weg gefährdet, nachher schauen wir weiter. So oder so: Den Lohnschutz geben wir nicht preis. Ein Rahmenabkommen muss den Arbeitnehmenden nützen.

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