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Glasfaserboom gefährdet Löhne

Die Schweiz rüstet sich mit dem Bau eines flächendeckenden Glasfasernetzes für die Zukunft. Die Milliardeninvestitionen haben auch ihre Schattenseite: Die zunehmende «Goldgräberstimmung» drückt auf die Löhne und Arbeitsbedingungen. syndicom will
deshalb die Netzbau-Branche regulieren. Wie dies aussehen könnte, schildert Zentralsekretär Daniel Münger.

 

syndicom: Wie kann es sein, dass ein riesiges Auftragsvolumen die Löhne und Arbeitsbedingungen beim Swisscom-Tochterunternehmen Cablex gefährdet?

 

Daniel Münger: Neben Cablex haben sich weitere Unternehmen darauf spezialisiert, Glasfasernetze zu bauen. Deshalb vergibt die Swisscom die Aufträge nicht einfach ihrem Tochterunternehmen Cablex, sondern holt jeweils bei mehreren Unternehmen Offerten ein und erteilt den Auftrag in der Regel dem Günstigsten. Der Netzbau fällt auch nicht unter die Submissionsverordnung des Bundes. Alle Aufträge werden im freihändigen Verfahren vergeben. Die Vergabekriterien bestimmt die Swisscom.

Heisst das, dass Cablex trotz der jahrzehntelangen Erfahrung ihrer Mitarbeitenden nicht immer am günstigsten ist?

Ja. Erfahrung und Qualität sind zwar wichtige Faktoren, aber nicht die einzigen. Da diese Branche nicht über einen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) reguliert ist, verschaffen sich einige Unternehmen Wettbewerbsvorteile über schlechtere Anstellungsbedingungen oder durch die Weitervergabe der Aufträge im Unterakkord.

Wie reagiert Cablex auf den Preisdruck?

Eine erste Reaktion ist, dass Cablex die Arbeitsbedingungen verschlechtern und den Sozialplan Swisscom loswerden will. Beides kommt für uns überhaupt nicht infrage.

Wir sind ja in der komfortablen Situation, dass wir auf die Swisscom und auf Cablex Druck ausüben können.

 

Reicht das nicht, um Abbaubestrebungen aufzuhalten?

Auf die Swisscom können wir keinen grossen Druck ausüben. Wir können ihr ja auch nicht sagen, sie solle die Mobiltelefone des Anbieters x verkaufen anstelle derjenigen des Anbieters y. Mehr Möglichkeiten haben wir bei Cablex, aber ein allfälliger Arbeitskampf würde die Situation tendenziell nur verschärfen. Es besteht das Risiko, dass die Swisscom nicht mehr in Cablex investiert und nur noch Unterhaltsaufträge an Cablex vergibt. Für Cablex würde das ein Ende auf Raten bedeuten. Deshalb wollen wir eine Branchenlösung, und zwar einen Branchen-GAV. So hätte Cablex wieder gleich lange Spiesse wie ihre Mitbewerber.

Die Diskussion über einen Branchen-GAV verunsichert unsere Kolleginnen und Kollegen bei Cablex. Warum brechen sie nicht in Jubelrufe aus?

Wegen Angst vor Lohnabbau, Angst vor längeren Arbeitszeiten und vor allem Angst um den Verlust des Sozialplans. Hinzu kommt, dass die älteren Mitarbeitenden bei Cablex schon einiges durchgemacht haben: Auslagerung aus der Swisscom, Lohnsenkungen, eigenständiger GAV etc. So kann ich diese Ängste sehr gut verstehen. Und: Der Sozialplan kann nicht zur Branchenlösung gehören, er muss mit Cablex separat geregelt werden (zum Beispiel Beschäftigungsgarantie).

Gibt es denn keine Alternative?

Die einzige Alternative ist, sich rückwärtsorientiert an alles Bestehende zu klammern. Das hilft aber höchstens den älteren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen bei Cablex. Wir wollen uns deshalb nach vorne orientieren, ohne aber die Bedürfnisse der älteren Angestellten ausser Acht zu lassen. Wir wollen einen Branchen-GAV auf der Basis des GAV Swisscom und zusätzlich eine weiter gehende Vereinbarung mit Cablex, um den Schutz der älteren Angestellten zu gewährleisten. Das Ziel ist also, die Arbeitsbedingungen bei der Konkurrenz von Cablex zu verbessern.

Reichen denn dazu die flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit nicht aus?

Überhaupt nicht; denn sie sind zu schwach und greifen nur, wenn in einer Branche griffige Bestimmungen vorhanden sind. Und das ist im Netzbau zurzeit nicht der Fall. Erst wenn die Branchenbedingungen flächendeckend vorhanden sind, kann mit einer Allgemeinverbindlichkeitserklärung durch den Bundesrat der beste Schutz auch vor ausländischen Anbietern geschaffen werden. Der Bundesrat hat auf Antrag der Sozialpartner die Möglichkeit, einen Branchen-GAV oder Teile davon als Mindeststandard festzulegen. Eine Verbesserung der flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit ist nötig, reicht aber für unsere Kolleginnen und Kollegen bei Cablex nicht aus. Zudem entspricht es auch nicht der Schweizer Gepflogenheit, gesetzliche Regelungen herbeizuführen, um Angestellte einzelner Unternehmen zu schützen. Das ist Aufgabe der Sozialpartnerschaft.

Warum soll die Swisscom ein Interesse daran haben, die Arbeitsbedingungen der Netzbau-Branche zu regeln?

Damit wird doch nur alles teurer. Die Swisscom hat ihre gesellschaftspolitische Verantwortung wahrzunehmen; denn Lohndumping ist ein ernst zu nehmendes Problem. Und eine Regelung ist für Swisscom die Grundlage, weiter in Cablex zu investieren, ohne Sozialabbau betreiben zu müssen. Wir lassen auch nie zu, dass ein billiges Netz auf Kosten der Arbeitnehmenden gebaut wird; denn ein qualitativ hochstehendes Netz, das für die Schweiz einen Wettbewerbsvorteil darstellen wird, hat seinen Preis. Die Wertschöpfung wird vor Ort erbracht und untersteht den hiesigen Rahmenbedingungen.

Ist bei den Konkurrenten von Cablex schon Lohndumping festgestellt worden?

Es besteht der begründete Verdacht, dass auch in dieser Branche unlauter gehandelt wird. Das Risiko ist gross, dass durch in- und ausländische Unternehmen massives Lohn- und Sozialdumping betrieben wird. Das wollen wir verhindern.

Wie geht es weiter?

Zuerst mit Gesprächen mit der Swisscom. Danach mit einem runden Tisch, an den wir zusammen mit der Swisscom alle wichtigen Unternehmen versammeln wollen, die im Netzbau tätig sind. Sollten wir uns im Grundsatz auf einen Branchen-GAV verständigen, würden Arbeitgebende und Arbeitnehmende ihre Verhandlungsdelegationen zusammenstellen. Wir sind bereit.

Interview: Franz Schori, Fachsekretär Sektor Telecom/IT

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