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Ausländische Arbeitnehmende: Diskriminierungen bekämpfen

In der Schweiz werden Personen ausländischer Herkunft – 25 Prozent der berufstätigen Bevölkerung –  auf dem Arbeitsmarkt besonders stark diskriminiert. Im Jahr 2009 zeigte eine SGB-Studie auf, wie die MigrantInnen in der Arbeitswelt benachteiligt werden, was auch die Integration erschwert. Dabei gibt es durchaus Lösungsansätze.

 

Diskriminierung bei der Einstellung


Die erste Diskriminierungserfahrung machen junge Lohnabhängige mit Migrationshintergrund bei der Suche nach einer Lehrstelle oder nach einem Job. Nur 44 Prozent von ihnen erhielten eine Lehrstelle zugesagt oder in Aussicht gestellt im Vergleich zu 72 Prozent der jungen SchweizerInnen. «Eine Lehrstelle zu finden ist viel schwieriger, wenn man Besim oder Öslem heisst, auch bei gleicher Qualifikation», sagte die SGB-Zentralsekretärin Doris Bianchi im Juni 2009. Dies bedeutet eine Verletzung des Diskriminierungsverbotes, wie es Art. 8 der Bundesverfassung stipuliert. Im Gegensatz zum europäischen Umfeld gibt es in der Schweiz kein Gleichbehandlungsgesetz und damit auch keine wirksamen Instrumente, um Präventions- oder Sanktionsmassnahmen zu ergreifen.

Lohndiskriminierung


Nach der Einstellung geht es mit der Diskriminierung weiter, vor allem im Lohnbereich. Die durchschnittliche Lohndifferenz von über 14 Prozent (fast 900 Franken pro Monat) zwischen Schweizer und ausländischen Lohnabhängigen lässt sich nicht allein auf individuelle Eigenarten zurückführen. Auch die Aufenthaltsbewilligung spielt eine Rolle. Je schwächer das Statut, desto höher ist die Lohneinbusse: –32.8 Prozent bei der Bewilligung L, –18 Prozent bei der Bewilligung B und –14.9 Prozent bei der Bewilligung C. Portugiesen und Ex-Jugoslawen verdienen fast 6 Prozent weniger als ihre Schweizer KollegInnen. Bei Beschäftigten aus Asien oder Afrika kann der Unterschied gegenüber den SchweizerInnen bis zu 17  bzw. 29 Prozent ausmachen. Die Differenz zwischen dem Medianlohn von Schweizern und Grenzgängern nahm laut dem kantonalen statistischen Amt (?, welchen Kantons?) zwischen 2000 und 2008 von 11.7 Prozent auf 16.3 Prozent zu.

Ein weiterer wichtiger Grund für die niedrigeren Löhne ist die Tatsache, dass der Ausbildung von Menschen ausländischer Herkunft wenig Gewicht zugemessen wird. Es erstaunt denn auch nicht, dass eingewanderte Beschäftigte in den Niedriglohnbranchen klar übervertreten sind. Auch in Sachen Arbeitslosigkeit herrscht eine schreiende Ungleichheit. Ausländische ArbeitnehmerInnen laufen ein bis zu drei Mal höheres Risiko, in Arbeitslosigkeit oder gar Armut zu geraten als ihre Schweizer KollegInnen. Laut Doris Bianchi «werden die eingewanderten Arbeitskräfte nach wie vor als Konjunkturpuffer angesehen. Sie verlieren in Krisenzeiten oder bei Restrukturierungen als erste die Arbeit.» Die Migranten, vor allem die Frauen unter ihnen, sind besonders stark vertreten unter den «Working Poor». Und auch bei den Beförderungen liegen die einheimischen Beschäftigten vorn.

Es gibt Lösungsansätze


Bei syndicom zeigt die Migrations-Gruppe Härkingen (siehe Artikel), wie sich die MigrantInnen selber organisieren und Einfluss auf die Gewerkschaftsarbeit nehmen können. Daneben werden dank syndicom bei der Post Sprachkurse organisiert. Der SGB seinerseits hat bereits 2009 ein Programm auf die Beine gestellt, mit dem solche Diskriminierungen bekämpft werden sollen. Neben der Sensibilisierung der Öffentlichkeit ging es vor allem um die Abschaffung der Diskriminierung bei der Einstellung, und zwar mit anonymisierten Bewerbungen. Der SGB lancierte zudem eine Kampagne zur Anerkennung von Fertigkeiten (nicht formell erworbenen Kompetenzen). Er verlangte konkrete Massnahmen und insbesondere höhere Investitionen des Bundes im Bereich Bildung und Weiterbildung.


Zur Beseitigung der Lohndiskriminierung schlug der SGB sodann eine Evaluation der Anerkennungspraxis von Diplomen vor. Er verlangte die Aufnahme von obligatorischen Antidiskriminierungs-Klauseln in die Gesamtarbeitsverträge, sowohl bei den Grundsätzen als auch mit Umsetzungsstrategien. Ebenso forderte er die Legalisierung der Sans-Papiers. Vor allem lancierte der SGB die Mindestlohn-Kampagne, welche zur aktuellen Volksinitiative geführt hat. Vania Alleva, SGB-Vizepräsidentin, hielt im vergangenen Januar fest: «Die Festlegung einer obligatorischen Mindestentschädigung sowie die Einrichtung neuer GAV werden den Schutz gegen Lohndumping und gegen Vertragsbrüche im Zusammenhang mit prekären Arbeitsverhältnissen klar verbessern.»

Eine zwiespältige Bilanz


Was ist aus diesen Vorschlägen geworden? Am 19. Mai dieses Jahres schrieb der zuständige SGB-Zentralsekretär José Corpataux in einem internen Papier, dass «einige Projekte zu konkreten Massnahmen führten und gegenwärtig realisiert werden. Die Gesamtbilanz bezüglich der Umsetzung (des SBG-Programms 2009) bleibt jedoch zwiespältig. Es liegen einige positive Ergebnisse vor, die aber noch breiter bekannt gemacht werden müssen.» So zum Beispiel beim Projekt «Sprachlehre und Integration», wo die Zusammenarbeit zwischen der Unia, der ECAP und der paritätischen Kommission sehr gut klappt, z.B. in den Sektoren Reinigung und Hotellerie.


Bei anderen Vorschlägen sieht Corpataux «kaum echte Resultate, zum Beispiel bei der Anerkennung von Diplomen oder beim Prozess der Anerkennung von Fertigkeiten», wobei in der Westschweiz gewisse Erfolge zu verzeichnen seien. Der SGB ist hier in der Konsultativgruppe vertreten im Rahmen der eidgenössischen Berufsbildungskommission. Ein weiterer Fortschritt: Die Unia erstellte unter Leitung von Cristina Anliker einen Leitfaden mit Vorschlägen für Antidiskriminierungsartikel in den GAV. Jetzt liegt es an den einzelnen Gewerkschaften, diese aufzugreifen. Was die anonymisierten CV angeht, so sind die Erfahrungen in der Schweiz und in Frankreich stark durchzogen. «Diese Massnahme müssen wir überdenken oder anders anpacken», meint Corpataux.

Gleiche Rechte für alle


Bis zum völligen Verschwinden solcher Diskriminierungen ist der Weg noch lang. Die Unternehmer benutzen diese schwächste Schicht der Beschäftigten zur Disziplinierung aller Lohnabhängigen, zum Beispiel mit dem Gespenst der Arbeitslosigkeit oder mit Druck auf die Löhne. Wenn wir somit den zugewanderten ArbeiterInnen ihre Rechte und ihre Würde sichern, dann sichern wir sie auch für alle anderen Beschäftigten im Land. Wir dürfen uns nicht spalten lassen, während auf der anderen Seite die Unternehmer eine SVP finanzieren, welche Wahlkampf auf dem Buckel der Ausländer betreibt, die sie seit Jahren für alles Schlechte verantwortlich macht. Mit solchen Sündenböcken soll die Arbeiterklasse zersplittert werden, sie lenken von den effektiv für die Ausbeutung und für die Finanzkrisen Verantwortlichen ab. Deshalb: Solidarität zwischen Schweizer und Migranten-Arbeitnehmenden! Wir können alle zusammen nur gewinnen.

 

Yves Sancey, Redaktor 

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