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Branchenkonferenz Presse: Vertragsloser Zustand schweisst Verbände zusammen

Die Idee einer neuen gemeinsamen Mediengewerkschaft erhält Auftrieb: syndicom, Impressum und SSM führten erste Sondierungsgespräche. Die syndicom-Mitglieder haben diese Entwicklung an der Branchenkonferenz kritisch-positiv zur Kenntnis genommen.

 

Die drei Verbände möchten enger zusammenarbeiten und Doppelspurigkeiten vermeiden. «Bei den Verbandsverantwortlichen wächst die Einsicht, dass wir nicht  so weitermachen wollen wie bisher», sagte Sina Bühler, Co-Präsidentin syndicom, an der Branchenkonferenz Presse und elektronische Medien in Freiburg. Erste Gespräche fanden auf oberster Verbandsebene statt. Gemeinsamkeiten gibt es schon lange: syndicom und Impressum geben zusammen mit dem SSM das Medienmagazin «Edito +Klartext» heraus, führen solidarisch den Kampf um den neuen GAV und haben dazu in diesem Jahr unter dem Titel «Jetzt schlägts 13» diverse Aktionen durchgeführt.


Wie die künftige gemeinsame Organisationsform aussehen könnte, darüber herrscht noch Unklarheit. Laut Bühler stehen vorerst nur Ideen im Raum, vom Kooperationsmodell, über die Fusion «syndicom übernimmt Impressum» bis zu einem gemeinsamen Dachverband. Bei Impressum gebe es nach wie vor eine starke Vertretung, die nicht als Gewerkschaft, sondern als Berufsverband wahrgenommen werden möchte. Bei der Mitgliederwerbung herrscht Konkurrenz. Von Seite syndicom wünscht man sich verstärktes gemeinsames Lobbying auf nationaler Ebene, die Verankerung von Mindestlöhnen für Print- und Onlinemedien und gewerkschaftliche Kampfbereitschaft.


An der Branchenkonferenz gab es zustimmende bis kritische Voten. Journalist Sergio Ferrari stellte fest, beide Verbände seien den gleichen drei Grossverlagen ausgeliefert und stünden somit vor der gleichen Ausgangslage. Die nationale und internationale Vernetzung stärke die Position der Medienschaffenden.


Einen schmerzlosen Weg gebe es nicht, warnte Zentralsekretärin Stephanie Vonarburg. Es gebe noch viele Stolpersteine. Die Durchführung gemeinsamer Aktionen sei heute jeweils mit grossem Koordinationsaufwand verbunden. «Auf Dauer können wir uns keine Doppelspurigkeiten leisten.» Co-Präsidentin Silvia Luckner stellte fest, dass bei vielen Berufsleuten das Verständnis dafür fehlt, weshalb es drei Mediengewerkschaften braucht.

syndicom und Impressum wollen junge Berufsleute verstärkt für gewerkschaftliche Anliegen sensibilisieren und damit einen Kontrapunkt setzen zur vorherrschenden Bereitschaft vieler Neueinsteigenden zu Gratis- oder Billigstarbeit auf den Redaktionen. Viele Printmedien bieten schon gar keine Praktikas geschweige denn Stages mehr an. Eine gemeinsame Kreativgruppe plant den Aufbau einer interaktiven Plattform, wie Sara Vogt, Regionalsekretärin Zürich, ausführte. Nach zehn Jahren vertragslosem Zustand fehle bei vielen die Einsicht, weshalb es überhaupt einen neuen GAV brauche. Zudem ist die Auffassung, Medienarbeit sei Berufung und nicht Beruf, der gewerkschaftlichen Arbeit nicht förderlich.

Gemeinsame Pensionskasse

Ein Fusionsprojekt ist bereits fortgeschritten: der Zusammenschluss der Pensionskassen PKJ von Impressum und Freelance syndicom. Beiden Kassen haben rund 500 Versicherte, wobei die Zahl bei der PKJ rückläufig ist und jene bei Freelance stagniert. Beide Kassen verfügen über eine solide Deckung von über 100 Prozent. Da beide Beitragssysteme sich kaum unterscheiden, geht von ihnen auch kein spezifischer Werbeeffekt zur Gewinnung von Neumitgliedern aus. Der Zeitpunkt für die Zusammenlegung sei günstig, sagte der Gewerkschaftsdelegierte im Stiftungsrat Freelance, Thomas Bernhard. Aber es bestehe kein Fusionszwang. Rechtlich steht das Modell der Fusion durch Absorption im Vordergrund. Das letzte Wort haben die Stiftungsräte, die persönlich für das Wohlergeben ihrer Vorsorgeeinrichtung haften. Ziel ist die Inkraftsetzung der neuen Kasse auf Anfang 2017.

Solidarisch mit der Romandie

Mit Durchführung der Branchenkonferenz in Freiburg zeigte syndicom die Verbundenheit mit den Kolleginnen und Kollegen in der Westschweiz, die ihrerseits die Unterstützung von syndicom bei den GAV-Verhandlungen begrüssen. Die CCT, Convention Collective de Travail, ist seit Anfang Jahr in Kraft, syndicom blieb – trotz gemeinsamem Auftritt an der Seite von Impressum in der letzten Phase – als offizielle Sozialpartnerin aussen vor. Sollten die Verhandlungen mit dem Verlegerverband Medias Suisses zu keinem positiven Ergebnis führen, will syndicom die offizielle Anerkennung gerichtlich erstreiten. Die Mitgliederzahlen allein seien kein Kriterium für Repräsentativität, so der Standpunkt von syndicom. Antoine Grosjean, Journalist in Genf, kämpfte vergeblich für gleichberechtigte Mitbestimmung: «Es ist absurd, wenn der Verleger allein über die Angestelltenvertretung entscheidet.» CCT, der GAV für die Westschweiz mit Tamedia, blieb laut Grosjean hinter der bisherigen internen Vereinbarung mit Edipresse zurück. Grosjean befürchtet, dass Tamedia diese Vereinbarung bei der ersten besten Gelegenheit kippen könnte. Die Branchenkonferenz unterstützte einstimmig die Forderung, dass syndicom Vertragspartnerin der Westschweizer CCT wird. syndicom wird das Verhandlungsergebnis den Mitgliedern in der Romandie vorlegen.

Erfolg vor Bundesgericht
Einen bedeutenden Erfolg in Sachen Kündigungsschutz erzielte syndicom kürzlich vor Bundesgericht: Radio Freiburg hatte zwei Gewerkschaftsvertreter mit fadenscheiniger Begründung vor die Tür gesetzt – eine missbräuchliche Kündigung, wie das Bundesgericht nun erkannte. Einer der beiden, Radiojournalist André Hügli, berichtete an der Branchenkonferenz über diese bittere persönliche Erfahrung und die Auswirkungen auf seinen beruflichen Werdegang. Sein neuer Arbeitgeber  wollte zum Beispiel genau wissen, wie er zu Autoritäten steht und ob er ein «Revoluzzer» sei. «Solche Fragen musste ich mir gefallen lassen», so Hügli. «Aber ich würde es wieder tun, auch wenn es mich abermals die Stelle kostete.» Mit syndicom-Unterstützung erhalten die ehemaligen Personalvertreter zwei Monatslöhne zugesprochen. Die Verfahrens- und Parteikosten gehen zulasten des früheren Arbeitgebers. syndicom kommentierte diesen Entscheid in der jüngsten Mitgliederzeitung:  «Ein wichtiges Urteil.»

Die Mitglieder verabschiedeten eine Resolution, welche die Schweizerische Post zum Verzicht auf die Erhöhung der Zustelltaxen für Regional- und Mitgliederzeitungen bewegen soll. Eingebracht hatte die Resolution Sylviane Herranz, Chefredaktorin der Unia-Zeitung «L’Evénement». Die schrittweise Taxerhöhung habe für ihre Redaktion Mehrkosten von 120'000 Franken pro Jahr zur Folge, rechnete Herranz vor.

Drei neue Mitglieder wurden in den Branchenvorstand Presse und elektronische Medien gewählt: Thomas Leuzinger, Schaffhausen; Florian Niedermann und Daniel Sager, beide Zürich.


Daniel Vonlanthen

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